Das Gemeinschaftswohn-Projekt mit Bio-Landwirtschaft startete in Rutzenmoos im Sommer 2017. Der "Kleine Grüne Kaktus" wollte wissen, welche Vorteile diese Wohnform für die BewohnerInnen aber auch für die Umgebung und die Gemeinde hat und ersuchte um ein Interview:
Wie ist eure Idee, „gemeinsam“ zu wohnen / arbeiten / leben, entstanden?Ich glaube, das würde jede und jeder von uns anders beantworten. Die Idee, in Gemeinschaft möglichst umwelt- freundlich zu leben, Energie und Res- sourcen zu sparen, Anschaffungen und Aufgaben zu teilen ist jahrelang in den Einzelnen herangereift. Irgendwann ist dann der Punkt im Leben da, wo man sich entscheiden muss: Wo soll mein Lebensmittelpunkt sein? Wie will ich mein Leben gestalten?
Wie habt ihr euch gefunden / kanntet ihr euch schon
länger?
Die richtige Gruppe zum richtigen Zeit- punkt zu finden, ist sicher ein Knack- punkt für so ein Vorhaben. Es
braucht eine Gruppe von Leuten, die sich gemeinsam auf den Weg macht. Einige von uns sind bereits seit dem Studi-
um befreundet und haben mehrere Jahre nach dem richtigen Ort für unser Cohousing-Projekt gesucht. 2014 wurde der Verein Bele Cohousing gegründet. Zu dem Zeitpunkt, als
wir den Demlhof in Rutzenmoos übernommen haben, waren wir genau die richtige Anzahl
an Personen für die zur Verfügung stehenden Wohnungen – und durch
die diversen Fachausbildungen der Vereinsmitglieder konnten wir auch die Landwirtschaft gleich weiterführen bzw. um den Gemüsebau erweitern.
Wie viele Personen / Familien leben dzt. im Haus?
Die Vereinsmitglieder (9 Erwachsene und 6 Kinder) leben in vier separaten Wohneinheiten. Seit dem Sommer haben wir auch regelmäßig Wwoofer am Hof – also Freiwillige, die gegen Kost und Logis in der Landwirtschaft mitarbeiten.
War der Betrieb einer Bio-Landwirt- schaft von Anfang an geplant?
Es
war immer unser Wunsch, uns mit landwirtschaftlichen Produkten zumin- dest selbst versorgen zu können.
Wie funktioniert das mit der Bio-Land- wirtschaft in einem Gemeinschafts- Wohnprojekt?
Zwei HofbewohnerInnen haben eine landwirtschaftliche Fachausbildung und pachten die Landwirtschaft vom Verein Bele Cohousing. Dies umfasst die
Galloway-Rinder, die böhmischen Waldschafe und den Gemüseanbau. Die Haus- und Hoftiere, wie die Hühner, die Esel, die Meerschweinchen und Hasen, versorgen wir als
Gemeinschaft.
Trotzdem packen wir gemeinsam an, wenn etwas Größeres ansteht. Das
ist jedes Mal ein besonderes Erlebnis. Unser „Tag der offenen Gartentür“ war schon
recht arbeitsintensiv. Wir haben geputzt und geerntet und gebacken und vorbereitet. Im Vorhinein hat es sich stressig angefühlt. Aber gemein- sam haben wir es gut
geschafft. Als die ganzen lieben Nachbar_innen und CSA-Interessent_innen
gekommen
sind, waren wir berührt und begeistert. Wir hätten nie mit hundert Gästen gerechnet! Am Abend haben die Kinder gefragt: „Und wann machen wir wieder ein Hoffest?“ – Genau das ist es, was uns immer wieder in unserer Idee be- stärkt: Dass Vieles, was für einen alleine Arbeit bedeutet, gemeinsam einen Fest-Charakter entwickeln kann.
Alles Friede, Freude, Eierkuchen?
Natürlich gibt es überall, wo Men- schen zusammen leben und arbeiten Reibungspunkte und wir haben uns auch schon das eine oder andere Mal überfordert gefühlt – aber das Positive überwiegt und ein Erlebnis wie der Start unseres Ab-Hof-Verkaufs gibt uns dann wieder neuen Schwung.
Was schätzt ihr am Leben in Gemeinschaft?
Wir bündeln Energien,
nützen Syn- ergien und sparen Ressourcen. Wir tauschen Talente und Meinungen. Teure Geräte, die man nicht täglich nützt (Getreidemühle, Rasenmäher-Traktor, Tischkreissäge,
...), können gemeinsam gekauft und die Kosten geteilt werden. Unser Gemeinschaftsbüro (Architektur, Klimafolgen-Forschung, Elektro-Smog- Messung, Landwirtschaft, Kinder- und
Jugendliteratur) und der Praxisraum (Shiatsu, Massage, Psychotherapie) ermöglichen es vielen von uns, von zu Hause zu arbeiten. Es ist schön, dabei mit anderen lieben Menschen ein
Büro zu teilen.
Fünf Mal pro Woche essen wir gemein- sam zu Mittag. Jedes Mal ist jemand anderes zuständig. Für mich bedeutet das, dass ich einmal pro Woche drei Stunden darin investiere, für alle zu kochen und aufzuräumen. Die anderen Tage werde ich von anderen liebevoll bekocht. Die meisten Zutaten fürs Mit- tagessen kommen aus unserem eigenen Betrieb – frisches Gemüse, Fleisch, Eier, ... Milchprodukte und Getreide kaufen wir von anderen Bio-Betrieben im Ort. Das ist ein irrsinniger Luxus.
Für die Kinder ist es ein Schatz, immer jemanden zum Spielen zu haben. Es ist natürlich auch eine Herausforderung, den Lieblings-Trettraktor zu teilen. Aber durch den Rückzugsraum in der eigenen Wohnung entsteht ein guter Ausgleich – auch für die Erwachsenen.
Seht ihr auch Vorteile für eine/die Gesellschaft in solchen Lebensformen?
Absolut! Die unmittelbaren Nutznießer unserer Gemeinschaft sind natürlich wir Beles selbst. Wir haben unser Projekt aber von Anfang an in einem größeren Rahmen gesehen. Der erste Schritt war die Gründung einer solidarischen Land- wirtschaft (CSA), in der wir Bio-Lebens- mittel für die Menschen in der Region produzieren. Für das gesamte Gebäude verbrauchen wir ausschließlich erneuer- bare Energien. Fix im Konzept veran- kert ist in diesem Zusammenhang auch ein E-Car-Sharing-Modell für uns und Menschen aus der Umgebung. An der Umsetzung arbeiten wir gerade.
Gibt es weitere Pläne für den Bele-Hof?
Wir träumen von einem Bio-Hofladen, in dem wir gemeinsam mit anderen Bauern und Bäuerinnen der Region eine interessante Produktpalette anbieten. So soll es gemahlenes und nicht ge- mahlenes Getreide, Reis und biologische Reinigungsmittel zum Selbstabfüllen geben. In mietbaren Regal-Fächern könnten in einem weiteren Schritt auch handwerkliche Produkte aus der Region angeboten werden.
Ein weiterer Traum ist ein Yoga- und Tanzraum, in dem auch Kurse und Workshops angeboten werden könn- ten. So etwas würde uns selbst und bestimmt auch anderen große Freude machen.
Resümee nach 1 1/2 Jahren?
Es war die richtige Entscheidung, ein Cohousing-Projekt zu gründen. Hier zu leben und gemeinsam zu werkeln fühlt sich – bei allen Herausforderungen – einfach gut an. Und es war die richtige Entscheidung, es hier in Rutzenmoos zu gründen – es ist nicht selbstverständ- lich, dass man in einer Nachbarschaft so nett empfangen wird mit so einem Vorhaben. Das wissen wir sehr zu schätzen.
Belehof, Verein Bele Cohousing, Rutzenmooser Ring 12,4845 Regau
Diesen Artikel findest du auch unter https://bezirkvoecklabruck.gruene.at/gemeindegruppen/die-gruenen-regau [28.01.2019]